Veröffentlicht am März 15, 2024

Die größte Klimalüge in Ihrem Alltag ist nicht Ihr Auto, sondern Ihr Bankkonto.

  • Konventionelle Banken finanzieren mit Ihrem Geld fossile Industrien und hebeln so Ihre persönlichen Klimabemühungen aus.
  • „Grüne“ Finanzprodukte und EU-Siegel sind oft nur Marketing-Instrumente, die Greenwashing verschleiern statt echte Nachhaltigkeit zu garantieren.

Empfehlung: Analysieren Sie die Finanzströme Ihrer Bank und Fonds kritisch, anstatt blind auf Werbeversprechen und Labels zu vertrauen.

Der Wunsch, das eigene Geld nicht nur zu vermehren, sondern es auch für Gutes einzusetzen, ist bei vielen Anlegern stark. Sie reduzieren Ihren Fleischkonsum, fahren Fahrrad und achten auf einen bewussten Lebensstil. Doch während Sie im Kleinen versuchen, die Welt zu verbessern, arbeitet Ihr Geld auf dem Girokonto oder im Depot möglicherweise im großen Stil dagegen. Die Finanzwelt ist voll von gut gemeinten Ratschlägen wie „wechseln Sie zur Ökobank“ oder „investieren Sie in einen ESG-Fonds“. Diese Schritte sind ein Anfang, aber sie kratzen nur an der Oberfläche eines komplexen Systems.

Das eigentliche Problem liegt tiefer und ist für die meisten unsichtbar: Greenwashing. Viele als „nachhaltig“ beworbene Finanzprodukte sind bei genauerem Hinsehen Mogelpackungen, die weiterhin in klimaschädliche Industrien investieren. Die wahre Herausforderung besteht also nicht darin, ein grünes Etikett zu finden, sondern darin, die Mechanismen dahinter zu verstehen. Die entscheidende Frage lautet: Wie können Sie die Spreu vom Weizen trennen und sicherstellen, dass Ihr Kapital wirklich eine positive Veränderung bewirkt, ohne dabei die Rendite aus den Augen zu verlieren?

Die Antwort liegt in einem radikalen Perspektivwechsel. Statt sich auf Marketingversprechen zu verlassen, müssen Sie lernen, die Finanzströme selbst zu analysieren. Der größte Hebel für eine nachhaltige Zukunft liegt nicht in Ihrem Konsum, sondern in der systemischen Wirkung Ihrer Investitionsentscheidungen. Es geht darum, den unsichtbaren CO2-Fußabdruck Ihres Geldes aufzudecken und es gezielt dorthin zu lenken, wo es echte, messbare Wirkung entfaltet. Dieser Artikel ist Ihr Leitfaden, um die Greenwashing-Falle zu umgehen und ein wirklich nachhaltiges, renditestarkes Portfolio aufzubauen.

Dieser Leitfaden führt Sie Schritt für Schritt durch die entscheidenden Aspekte des nachhaltigen Investierens. Sie erfahren, wie Sie die versteckten Klimaauswirkungen Ihres Geldes aufdecken, Greenwashing-Taktiken entlarven und fundierte Entscheidungen für eine bessere finanzielle und ökologische Zukunft treffen.

Inhalt: Nachhaltig investieren ohne Greenwashing

Warum hat Ihr Girokonto einen größeren CO2-Hebel als Ihr Fleischkonsum?

Viele Menschen konzentrieren sich auf die sichtbaren Aspekte ihres CO2-Fußabdrucks: das Auto, die Flugreisen, den Fleischkonsum. Doch der größte Hebel schlummert oft unbemerkt auf dem Bankkonto. Das Geld, das Sie bei einer konventionellen Großbank parken, arbeitet im Verborgenen – und finanziert häufig genau die Industrien, die Sie privat meiden. Dieser Effekt wird als „finanzierte Emissionen“ bezeichnet: Ihre Bank investiert Ihr Geld in Unternehmen und finanziert damit deren CO2-Ausstoß. Die Dimensionen sind gewaltig und stellen persönliche Einsparungen weit in den Schatten.

Eine Studie der Umweltorganisation Urgewald liefert erschreckende Zahlen für den deutschen Markt: Allein die Deutsche Bank stellte fossilen Unternehmen im Jahr 2024 Kredite und Finanzdienstleistungen in Höhe von fast 14,3 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Dieses Geld fließt direkt in den Ausbau von Öl-, Gas- und Kohleprojekten weltweit. Die Bank war damit sogar weltweit größte Geldgeberin des Öl-Riesen BP, obwohl dieser seine Klimaziele zurückgeschraubt hatte. Ihr Sparguthaben oder der Saldo auf dem Girokonto wird so Teil eines Systems, das die Klimakrise aktiv befeuert.

Der Kontrast zur persönlichen Verantwortung ist frappierend. Während Sie mühsam einige hundert Kilo CO2 pro Jahr durch Verhaltensänderungen einsparen, ermöglicht Ihr Geld im großen Stil Emissionen in Millionen-Tonnen-Höhe. Die Entscheidung, bei welcher Bank Sie Ihr Konto führen, ist somit keine passive Verwaltungsangelegenheit, sondern eine der wirkungsvollsten Klimaentscheidungen, die Sie treffen können. Der Wechsel zu einer Bank mit strengen ethisch-ökologischen Anlagekriterien entzieht dem fossilen System Kapital und stärkt nachhaltige Wirtschaftszweige. Es ist der Schritt von der individuellen Geste zur systemischen Wirkung.

Wie wechseln Sie zur Ökobank, ohne dass Ihre Daueraufträge im Chaos enden?

Die Entscheidung für eine ethisch-ökologische Bank ist getroffen, doch die Umsetzung erscheint vielen als bürokratischer Albtraum. Die Sorge vor vergessenen Daueraufträgen, fehlgeleiteten Lastschriften und dem administrativen Aufwand hält viele vom Wechsel ab. Diese Angst ist jedoch größtenteils unbegründet. In Deutschland sind Banken seit 2016 gesetzlich zur Kontowechselhilfe verpflichtet. Das bedeutet: Ihre neue Bank kümmert sich in Abstimmung mit Ihrer alten Bank darum, alle Zahlungspartner zu informieren und Daueraufträge sowie Lastschriften zu übertragen.

Der Prozess ist heute weitgehend digitalisiert und unkompliziert. Sie beauftragen den Service bei Ihrer neuen Ökobank, die dann die notwendigen Schritte einleitet. Sie erhalten eine Übersicht aller umzustellenden Zahlungen und können den Prozess transparent verfolgen. Wichtig ist nur, das alte Konto erst dann zu kündigen, wenn Sie sicher sind, dass alle Zahlungen reibungslos über das neue Konto laufen. Eine Übergangszeit von ein bis zwei Monaten, in der beide Konten parallel existieren, ist empfehlenswert.

Digitaler Bankwechsel zu nachhaltigen Banken per Smartphone

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Auswahl der passenden Ökobank. Die Zeiten, in denen Nachhaltigkeit mit eingeschränkter Funktionalität einherging, sind vorbei. Viele Ökobanken bieten heute moderne Apps, mobile Bezahloptionen und alle digitalen Features, die man von einer Direktbank erwartet. Dennoch gibt es Unterschiede bei Kosten und Leistungsumfang. Die Wahl hängt von Ihren individuellen Bedürfnissen ab.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die digitalen Möglichkeiten und Kosten bei führenden deutschen Ökobanken, um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern.

Digitale Features und Kosten deutscher Ökobanken
Bank Mobile App Google/Apple Pay Fotoüberweisung Jährliche Kosten
GLS Bank Ja Ja Ja ca. 150€
Tomorrow Sehr gut Ja Ja ab 36€
Triodos Gut Ja Ja ca. 120€
EthikBank Ja Eingeschränkt Ja ca. 102€

Artikel 9 oder Artikel 8 Fonds: Welches EU-Label garantiert echte Nachhaltigkeit?

Auf der Suche nach nachhaltigen Investments stoßen Anleger unweigerlich auf die Begriffe „Artikel 8“ und „Artikel 9“. Diese Kategorien stammen aus der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) und sollen für Transparenz sorgen. Ein Artikel-8-Fonds bewirbt ökologische oder soziale Merkmale, verfolgt aber kein dezidiertes Nachhaltigkeitsziel. Er wird oft als „hellgrün“ bezeichnet. Ein Artikel-9-Fonds hingegen muss ein konkretes, messbares Nachhaltigkeitsziel anstreben, zum Beispiel die Reduktion von CO2-Emissionen, und gilt als „dunkelgrün“.

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Wer es mit der Nachhaltigkeit ernst meint, wählt Artikel 9. Doch hier lauert die Label-Falle. Die Definitionen sind vage und lassen den Fondsgesellschaften viel Interpretationsspielraum. In der Praxis führte dies dazu, dass Hunderte Fonds von Artikel 9 auf 8 herabgestuft wurden, nachdem die Regulierungsbehörden die Kriterien präzisierten. Große Anbieter wie DWS und Amundi mussten ihre Produkte neu klassifizieren, was das Vertrauen der Anleger erschütterte.

Das Label allein ist also kein Garant für echte Nachhaltigkeit. Es sagt nichts über die konkreten Ausschlusskriterien eines Fonds aus. So kann ein Artikel-9-Fonds immer noch in Unternehmen investieren, die in kontroversen Sektoren tätig sind. Florian Schultz von der UmweltBank bringt das Problem auf den Punkt:

In Deutschland gibt es keine gesetzlichen oder regulatorischen Vorgaben, die Banken verbieten, an Rüstungsfirmen oder auch Rüstungsexporten zu verdienen.

– Florian Schultz, UmweltBank

Anleger müssen daher über das Label hinausschauen. Entscheidend ist ein Blick in das Factsheet und den Fondsprospekt: Welche Branchen werden explizit ausgeschlossen (z.B. fossile Energien, Rüstung, Tabak)? Welche Methodik wird angewendet, um die Nachhaltigkeit der Unternehmen zu bewerten? Nur wer diese Fragen stellt, kann sich vor Greenwashing schützen und sicherstellen, dass sein Investment den eigenen Werten entspricht.

Der Fehler im „Best-in-Class“-Ansatz: Warum trotzdem Ölkonzerne in Ihrem Öko-Fonds sind

Viele nachhaltige Fonds werben mit dem „Best-in-Class“-Ansatz. Die Idee klingt plausibel: Statt ganze Branchen wie die Öl- und Gasindustrie pauschal auszuschließen, investiert man nur in die Unternehmen, die innerhalb ihrer Branche die besten ESG-Werte (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) aufweisen. Man fördert also den Klassenbesten, auch wenn die Klasse selbst problematisch ist. Genau hier liegt jedoch das Best-in-Class-Paradoxon: Es führt dazu, dass Ölkonzerne wie Shell oder TotalEnergies in als „nachhaltig“ deklarierten Fonds auftauchen.

Die Begründung der Fondsmanager lautet, man wolle durch den Dialog mit diesen Unternehmen (Engagement) eine Transformation anstoßen. Kritiker sehen darin jedoch eine Form des Greenwashings. Ein Ölkonzern, der im Vergleich zu seinen Konkurrenten etwas weniger umweltschädlich agiert, bleibt ein Ölkonzern, dessen Geschäftsmodell auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe basiert. Der Ansatz belohnt relative Verbesserungen in einer nicht nachhaltigen Industrie, anstatt Kapital konsequent in zukunftsfähige Technologien umzuschichten.

Best-in-Class-Paradox: Ölkonzern in grünem Fonds visualisiert

Diese Strategie wird besonders problematisch, wenn man die Netto-Null-Versprechen vieler Konzerne und Banken hinterfragt. Viele dieser Verpflichtungen sind vage, langfristig und entbehren konkreter, kurzfristiger Umsetzungspläne. Ein Experte von Klimareporter.de kritisiert diesen Zustand scharf:

Trotz Netto-Null-Verpflichtungen haben die meisten Banken keine oder nur unzureichende Richtlinien für Fossile und speziell Öl und Gas. Solange Finanzinstitute keine klaren Ausschlüsse verabschieden, sind Net-Zero-Verpflichtungen absolutes Greenwashing.

Klimareporter.de

Für Anleger bedeutet das: Der Begriff „Best-in-Class“ sollte ein Warnsignal sein. Er erfordert eine genaue Prüfung der Top-Positionen im Fonds. Wenn dort Namen aus der fossilen Industrie, der Luftfahrt oder anderen kontroversen Sektoren auftauchen, ist der Fonds wahrscheinlich nicht so grün, wie er scheint. Echte Nachhaltigkeit erfordert oft harte Ausschlusskriterien anstelle von relativen Vergleichen.

Problemfall Totalverlust: Wann lohnt sich das Risiko beim Investieren in Solarparks?

Direktinvestitionen in konkrete Projekte wie Solarparks oder Windkraftanlagen klingen verlockend. Sie bieten die Möglichkeit, genau zu sehen, wohin das eigene Geld fließt und einen direkten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Oft werden diese Investments über Crowdinvesting-Plattformen angeboten und locken mit attraktiven Renditen. Doch diese Form der Geldanlage birgt ein erhebliches Risiko, das viele Anleger unterschätzen: den Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

Das Kernproblem liegt in der rechtlichen Struktur dieser Anlagen. Meist handelt es sich um Nachrangdarlehen. Das bedeutet, im Falle einer Insolvenz des Projektentwicklers werden zuerst alle anderen Gläubiger (z.B. Banken) bedient. Die Crowdinvestoren gehen als Letzte an die Reihe und erhalten oft nichts mehr zurück. Technische Probleme, Verzögerungen beim Bau oder fehlerhafte Planungen können ein Projekt schnell unrentabel machen.

Lohnt sich das Risiko also überhaupt? Eine Investition kann sich dann lohnen, wenn man sich des Risikos bewusst ist und eine sorgfältige Prüfung vornimmt. Investieren Sie nur Geld, dessen Verlust Sie verschmerzen könnten. Prüfen Sie den Projektentwickler genau: Welchen Track Record hat er? Sind vergangene Projekte erfolgreich gelaufen? Analysieren Sie das Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB), das alle Risiken transparent auflisten muss. unrealistisch hohe Renditeversprechen sind oft ein Warnsignal. Eine Diversifizierung über mehrere Projekte kann das Risiko ebenfalls streuen.

Eine sicherere Alternative für Anleger, die direkt in erneuerbare Energien investieren möchten, sind Bürgerenergiegenossenschaften. Hierbei handelt es sich um lokale Zusammenschlüsse von Bürgern, die gemeinsam in Anlagen vor Ort investieren. Als Genossenschaftsmitglied hat man ein Mitspracherecht und profitiert von den Erträgen. Die Renditen sind oft etwas niedriger als beim Crowdinvesting, dafür ist das Risiko durch die gemeinschaftliche Struktur und die oft bewährten Geschäftsmodelle deutlich geringer.

Warum verursacht Ihr aktuelles Einkaufsverhalten mehr Emissionen als Ihr Auto?

In den vorigen Abschnitten haben wir gesehen, dass die Wahl Ihrer Bank und Ihrer Fonds einen enormen, oft unsichtbaren CO2-Hebel hat. Ihr finanzielles „Einkaufsverhalten“ – also die Entscheidung, welche Finanzprodukte Sie „kaufen“ – hat eine systemische Wirkung, die den Einfluss Ihres privaten Konsums bei weitem übersteigen kann. Selbst Banken, die sich zu Klimazielen bekennen, reduzieren ihre Beteiligungen oft nur zögerlich. So gibt die Deutsche Bank zwar an, ihre finanzierten Emissionen im Kohlebergbausektor reduziert zu haben, doch die absolute Summe der fossilen Finanzierungen bleibt immens.

Die gute Nachricht ist: Sie sind diesem System nicht hilflos ausgeliefert. Der Markt für nachhaltige Geldanlagen wächst und mit ihm die Transparenz. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Werkzeugen und Plattformen, die es Ihnen ermöglichen, Ihre Geldanlagen und potenziellen Investments auf ihre tatsächliche Nachhaltigkeit zu überprüfen. Statt auf die Marketingbroschüren der Anbieter zu vertrauen, können Sie selbst zum Analysten werden und datenbasierte Entscheidungen treffen. Der Schlüssel liegt darin, zu wissen, wo man suchen muss.

Die Überprüfung erfordert einen systematischen Ansatz. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen und die verfügbaren Datenquellen zu nutzen, um ein klares Bild von der Nachhaltigkeitsleistung eines Fonds, einer Aktie oder einer ganzen Bank zu erhalten. Der folgende Plan hilft Ihnen, Ihre bestehenden und zukünftigen Geldanlagen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und Greenwashing zu entlarven.

Ihr 5-Punkte-Plan zur Überprüfung Ihrer Geldanlagen

  1. Kontaktpunkte identifizieren: Listen Sie alle Ihre Finanzprodukte auf (Girokonto, Depot, Fonds, ETFs, Versicherungen) und bei welchen Anbietern diese liegen.
  2. Bestehende Elemente sammeln: Suchen Sie für Ihre größten Positionen (z.B. ETFs, Fonds) nach den offiziellen Fondsberichten und Factsheets. Achten Sie auf Daten von Anbietern wie Carbon4Finance.
  3. Auf Kohärenz prüfen: Nutzen Sie den Fair Finance Guide, um die Nachhaltigkeits-Richtlinien Ihrer Bank zu bewerten. Konfrontieren Sie die Ergebnisse mit den Werbeversprechen der Bank.
  4. Memos/Emotionen bewerten: Verwenden Sie Tools wie yourSRI oder die Nachhaltigkeits-Filter bei JustETF, um den CO2-Fußabdruck und die ESG-Ratings Ihrer Fonds zu ermitteln. Vergleichen Sie diese mit konventionellen Benchmarks.
  5. Integrationsplan erstellen: Nutzen Sie die Datenbank von Facing Finance, um einzelne Unternehmen in Ihren Fonds auf Kontroversen (z.B. Rüstung, Menschenrechtsverletzungen) zu prüfen und entscheiden Sie, welche Positionen Sie ersetzen wollen.

Wie prüfen Sie, ob Ihr Lieferant wirklich nachhaltig arbeitet und nicht nur Greenwashing betreibt?

Im Kontext der Geldanlage ist Ihr „Lieferant“ die Fondsgesellschaft oder Bank, die Ihnen ein Finanzprodukt anbietet. Deren Nachhaltigkeitsversprechen zu überprüfen, ist die Kernaufgabe eines gewissenhaften Anlegers. Eine der effektivsten Methoden, um hinter die Fassade zu blicken, ist die Analyse des Abstimmungsverhaltens (Voting) auf den Hauptversammlungen der Unternehmen, in die ein Fonds investiert ist.

Große Fondsgesellschaften wie BlackRock oder die DWS sind bedeutende Aktionäre bei Tausenden von Unternehmen. Sie haben das Recht und die Pflicht, im Sinne ihrer Anleger abzustimmen – zum Beispiel über Klimaresolutionen, die ein Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten sollen. Hier zeigt sich oft eine Diskrepanz zwischen Worten und Taten. Während die Fondsgesellschaften in ihren Marketingmaterialien Nachhaltigkeit predigen, stimmen sie auf Hauptversammlungen oft gegen entsprechende Anträge, um das Management der Konzerne nicht zu verärgern.

Fallstudie: ShareAction-Berichte entlarven Fondsmanager

Die Organisation ShareAction analysiert regelmäßig das Abstimmungsverhalten großer Fondsgesellschaften bei Klimaresolutionen. Ihre Berichte decken schonungslos auf, welche Manager ihre treuhänderische Pflicht ernst nehmen und welche nur Lippenbekenntnisse abgeben. So wird transparent, ob eine Fondsgesellschaft wie DWS oder Amundi tatsächlich auf eine nachhaltige Transformation drängt oder die Interessen des fossilen Status quo schützt. Diese Berichte sind ein unschätzbares Werkzeug für Anleger, um die wahre Haltung ihres „Lieferanten“ zu erkennen.

Neben dem Voting-Verhalten gibt es weitere Tools, die Ihnen eine gründliche Due-Diligence-Prüfung ermöglichen. Verschiedene unabhängige Organisationen und Plattformen haben sich darauf spezialisiert, Banken, Fonds und ETFs nach strengen Kriterien zu durchleuchten. Diese Werkzeuge helfen Ihnen, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Die folgende Tabelle stellt einige der wichtigsten kostenlosen Tools für den deutschen Markt vor, mit denen Sie Ihre eigenen Recherchen durchführen können.

Due-Diligence-Tools für nachhaltige Investments
Tool Anbieter Fokus Kostenlos
Faire-Fonds-Filter Facing Finance Fondsprüfung Ja
Fair Finance Guide Verbraucherzentrale Bremen Bankenbewertung Ja
JustETF JustETF ETF-Nachhaltigkeitsfilter Ja
yourSRI yourSRI ESG-Ratings Teilweise

Das Wichtigste in Kürze

  • Der größte Klimahebel liegt nicht im Konsum, sondern in der Wahl Ihrer Bank, da diese mit Ihrem Geld fossile Industrien finanziert.
  • EU-Nachhaltigkeitslabel wie „Artikel 9“ sind keine Garantie gegen Greenwashing, da die Kriterien oft vage sind und umgangen werden.
  • Der „Best-in-Class“-Ansatz erlaubt es „nachhaltigen“ Fonds, weiterhin in die klimafreundlichsten Unternehmen problematischer Branchen wie der Ölindustrie zu investieren.

Wie schützen Sie Ihre Ersparnisse vor der Inflation, wenn das Sparbuch nichts mehr bringt?

Während die ethische Dimension der Geldanlage immer wichtiger wird, bleibt ein fundamentaler Aspekt bestehen: der Schutz und die Vermehrung des eigenen Vermögens. In Zeiten hoher Inflation wird das klassische Sparbuch zur Wertvernichtungsmaschine. Das Geld liegt zwar sicher, verliert aber stetig an Kaufkraft. Eine Inflationsrate von 7 % bedeutet, dass 10.000 Euro auf dem Sparbuch innerhalb eines Jahres real nur noch 9.300 Euro wert sind. Passivität ist also keine Option.

Nachhaltige Geldanlagen bieten hier eine vielversprechende Lösung, die beide Ziele vereint: Rendite und Wirkung. Investitionen in zukunftsfähige Technologien, erneuerbare Energien und innovative Unternehmen, die soziale und ökologische Probleme lösen, sind nicht nur ethisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch klug. Diese Sektoren profitieren von globalen Megatrends und staatlicher Förderung und bieten langfristig oft überdurchschnittliche Wachstumschancen. Statt den schleichenden Wertverlust durch Inflation hinzunehmen, können Sie Ihr Kapital aktiv in die Transformation der Wirtschaft investieren.

Wertentwicklungsvergleich Sparbuch gegen grüne ETFs visualisiert

Der Schlüssel liegt in einem breit gestreuten Portfolio aus nachhaltigen Aktien, Anleihen oder ETFs. Diese Instrumente ermöglichen es, das Risiko zu verteilen und gleichzeitig von der Dynamik der grünen Wirtschaft zu profitieren. Die Angst, für eine nachhaltige Ausrichtung auf Rendite verzichten zu müssen, ist ein Mythos. Zahlreiche Studien belegen, dass Unternehmen mit starken ESG-Profilen oft widerstandsfähiger und langfristig erfolgreicher sind. Sie verbinden ökonomische Weitsicht mit gesellschaftlicher Verantwortung. Der Wirtschaftsethiker Gabriel formuliert diesen positiven Zusammenhang treffend:

Wir können tatsächlich einen Beitrag dazu leisten, die Wirtschaft in eine Richtung zu entwickeln, die nachhaltiger und gerechter ist.

– Gabriel, Wirtschaftsethiker

Letztlich ist nachhaltiges Investieren die Antwort auf die doppelte Herausforderung unserer Zeit: die Klimakrise und den realen Wertverlust von Ersparnissen. Es ist die strategische Entscheidung, sein Geld nicht länger im Gestern zu parken, sondern es für das Morgen arbeiten zu lassen.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihr Portfolio zu analysieren und Ihr Geld dorthin zu lenken, wo es wirklich einen Unterschied macht – für Ihre Rendite und für den Planeten.

Häufig gestellte Fragen zum nachhaltigen Investieren

Was ist ein Nachrangdarlehen bei Crowdinvesting?

Ein Nachrangdarlehen bedeutet, dass Sie im Insolvenzfall erst nach allen anderen Gläubigern bedient werden. Ihr Darlehen ist also „nachrangig“. In der Praxis führt dies oft zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals, wenn das Projekt scheitert.

Wie erkenne ich einen seriösen Projektentwickler?

Achten Sie auf einen nachweisbaren Track Record: Hat der Entwickler bereits erfolgreich Projekte abgeschlossen? Lesen Sie das Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) sorgfältig durch, das alle Risiken auflisten muss. Seien Sie skeptisch bei unrealistisch hohen Renditeversprechen, da diese oft mit einem extrem hohen Risiko einhergehen.

Was sind Bürgerenergiegenossenschaften?

Bürgerenergiegenossenschaften sind lokale Zusammenschlüsse von Bürgern, die gemeinsam in erneuerbare Energieprojekte (z.B. Solaranlagen auf Schuldächern) investieren. Mitglieder haben ein Mitspracherecht und erhalten eine Dividende. Die Renditen sind meist stabiler und das Risiko geringer als beim Crowdinvesting.

Geschrieben von Markus Weber, Unabhängiger Honorarberater für Finanzen und geprüfter Steuerfachwirt. Mit 12 Jahren Erfahrung in der Finanzbranche hilft er Verbrauchern in Düsseldorf, Vermögen aufzubauen und Steuerfallen zu vermeiden.